Interview mit einer Callerin – Teil 2

Auf mehr als zwanzig Jahre Erfahrung mit Flirtlines, Datinglines und Telefonsex blickt meine Interviewpartnerin zurück, die mir über ihren Job als Callerin, später als Ausbilderin Rede und Antwort stand. Wie sie damals zu diesem Job kam, können Sie hier nachlesen. Was in den ersten Jahren noch seriös wirkte, wandelte sich mit der Zeit. Später sprechen Flirtagenturen von „Kunden melken“. Lesen Sie nun den zweiten Teil eines spannenden Interviews mit einer Telefonsexanbieterin, der deutlich macht, wie knallhart es in diesem Geschäft zugeht.

Wie ist die Frauenquote auf Flirtlines?

„Männer wurden mit der Hoffnung auf eine Beziehung geködert!“

Die erste Firma, mit der ich zusammenarbeitete, war vor allem eine Flirtagentur. Sie wurde offiziell als Flirt- und Datingline beworben. Dementsprechend waren die Kunden fast alle total nett. Die Männer suchten kaum Telefonsex, sondern meist waren es einsame Männer oder verklemmte junge Männer, die sich verlieben wollten. Mit Werbesprüchen wie „Flirte mit jungen Frauen aus deiner Stadt!“ oder „Einsam? Triff hier deine große Liebe!“ zog man Kunden, die glaubten, dass sie echte Frauen am Telefon haben würden, denen es ähnlich erging, wie dem Anrufer selbst. Damit das ganze auch glaubhaft wirkte, bewarben die Agenturen ihre Flirtportale auch in Frauenzeitschriften. Dann lautete es in den Anzeigen einfach „Flirte mit jungen Männern aus deiner Stadt!“ oder „Lerne hier tolle Männer kennen!„. Das es vor allem darum ging, das Prinzip der bezahlten Telefonistin zu etablieren, wurde in der Öffentlichkeit natürlich nicht kommuniziert.

„Echte Frauen gab es nur, wenn die Profis nicht arbeiten wollten!“

Wenn nicht genug bezahlte Frauen auf der Line waren, konnten auch echte Frauen sich in das Telefonkarussel einwählen. Für jede Professionelle, die dann zur Arbeit kam, wurde eine echte Frau aus der Line geworfen. Schließlich verstanden die professionellen Callerinnen ihren Job richtig gut und hielten die Männer lange im System, während echte Frauen schlecht für´s Geschäft waren.

Was war das Problem mit echten Frauen?

„Echte Frauen ziehen die Männer von den Flirtlines ab!“

Anfangs stellten Flirtagenturen lediglich die Plattform für Flirtereien per Telefon bereit. Frauen durften diese Plattformen umsonst nutzen, während Männer dafür pro Minute viel Geld bezahlen mussten. Es gab in den Anfangszeiten noch keine professionellen Frauen, weil viele neugierige Frauen sich in solche Flirtlines einwählten. Es kostete ja nichts und es war durchaus mal ganz spaßig, in geselliger Frauenrunde im Flirtkarussell anzurufen. Das Marketingkonzept ging eindeutig in die Richtung, dass man signalisierte, auf Flirtlines reale Menschen am anderen Ende der Leitung zu haben. Menschen, die aus der gleichen Stadt kommen, Menschen, die eine Beziehung suchen. Es war so, dass sich viele der Anrufer und Anruferinnen nur kurz am Telefon unterhielten, schnell ihre privaten Rufnummern austauschten und dann wieder aus dem System der Flirtline rausgingen. Wegen der hohen Telefongebühren versuchten die Männer natürlich immer, die Frauen dazu zu bewegen, sie vom Festnetz aus privat anzurufen. Das gelang sehr oft und so wurden die Gewinne der Flirtlines immer weniger.

„Die Lines machten die Leitungen für weibliche Anruferinnen dicht!“

Deshalb wurden dann verstärkt Callerinnen eingestellt, die sich nicht die Nummern der männlichen Anrufer aufschreiben durften. Der Austausch von Privatnummern wurde strikt verboten, Gespräche wurden – und werden auch heute noch – überwacht. Wird eine Callerin dabei erwischt, fliegt sie. Nach und nach schloss fast jede Flirtagentur die Telefonleitungen für weibliche Anruferinnen.

Wie veränderten sich dadurch die Datinglines?

„Die Einnahmen schossen nach oben!“

Aus unternehmerischer Sicht war es die beste Entscheidung, Privatfrauen aus den Telefonsystem auszugliedern. Schnell  gab es auf Datinglines und Flirtlines nur noch die professionelle Callerin. Männer konnten somit gar nicht mehr mit normalen Frauen über die Systeme sprechen. Obwohl man als Telefonisten gutes Geld verdiente, war die Gewinnspanne für die Plattformen immens. Die Agenturchefs verdienten sich eine goldene Nase. Gleichzeitig wurde aber auch der Bedarf an bezahlten Telefonfrauen enorm hoch. Nachdem ich schon zwei oder drei Jahre im Geschäft drin war, sind neue Agenturen und Sub-AGs wie Pilze aus dem Boden geschossen. Der Ansturm an Männern konnte nicht mehr abgedeckt werden. Gleichzeitig sprach sich rum, dass man als Frau mit Flirtgesprächen und Telefonsex viel Geld verdienen kann. Immer mehr Damen stiegen in den Beruf ein und witterten leicht verdientes Geld. Doch dadurch, dass es nur wenige große Plattformen, aber viele Agenturen und Sub-Agenturen gab, wurde die Bezahlung nach unten immer weniger.

Wie entwickelte sich der Beruf Callerin weiter?

„Viele Frauen verstanden den Job nicht als Dienstleistung!“

Bezahlt wird eine Telefonistin nach der Gesamtzahl aller gesprochener Minuten. Nur, wer viele aktiv gesprochene Minuten im Monat zusammenbekommt, wird auch gut bezahlt. Wartezeiten zwischen den einzelnen Anrufen werden gar nicht bezahlt. Dadurch, dass die Männer immer mehr Auswahl hatten, ließ sich das neue Konzept in den Anfängen noch sehr lukrativ umsetzen. Schon bald war es aber so, dass viele der neuen Callerinnen den Job nicht gut machten. Viele von ihnen mangelte es an wichtigen Kriterien wie Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen. Manchen fehlte es aber auch an Lust, Flirtgespräche oder Gespräche mit Telefonsex richtig zu führen. Es reicht nicht, einfach nur mit dem Mann in der Leitung zu reden oder ihm ins Ohr zu stöhnen.

„Es muss eine Magie zwischen den Gesprächspartnern aufgebaut werden!“

Wir alten Hasen haben es wirklich noch einfach gehabt. Entweder, es ging einer so, wie meiner Freundin. Die den Job nach 2 Wochen hingeschmissen hat, oder aber so wie mir, die diesen Beruf einfach genial fand und sich ihren Weg darin gebahnt hat.  Während eine Callerin nur in bestimmten Ausnahmesituationen ein Gespräch beenden darf, kann der Kunde jederzeit aus dem Telefonat rausgehen. Ganz gleich, warum ein Kunde anruft, muss man ihn innerhalb von Sekunden mit Worten und Stimme fesseln. Früher war es so, dass man keinerlei Informationen über den nächsten Kunde hatte. Einen wildfremden Menschen innerhalb von Sekunden zu analysieren, obwohl man nur eine Stimme und vielleicht ein kurzes „Hallo, ich heiße Markus, wer bist du?“ gehört hat, ist nicht für jede Callerin einfach. Ehe man sich versieht, ist der Mann auch schon wieder aus der Leitung. Es gehört also einiges an Erfahrung dazu, in diesen wichtigen ersten Sekunden die richtige Stimmlage zu treffen und die richtige Antwort zu geben.

„Die magischen 3 Sekunden wurden vielen zum Verhängnis!“

Es gibt zahlreiche Studien, die genau analysieren, wie man ein erfolgreiches Telefonat führt. Erfolgreich heißt in dem Gewerbe, den Kunden möglichst lange in der Leitung zu halten. Das wurde immer schwieriger für die meisten Damen. Erst recht für die, die dem Job als Callerin nicht wirklich etwas abgewinnen konnten.

  • Callerinnen stammelten ein lustloses, gelangweiltes „Hallo, wer bist du?“ in die Leitung.
  • Manche fragten auch einfach nur „Was willst du?
  • Andere Frauen stöhnten direkt in de Hörer, obwohl der Mann gar kein Sexgespräch wünschte.

So wird das nichts, und auch nicht, wenn ein Gespräch doch mal länger dauert und dann so etwas passiert:

  • Kunden die auf Flirtportalen Telefonsex wollten, wurden als „Schwein“ oder „pervers“ bezeichnet
  • Kunden, die ein Date suchten, wurden zu Treffpunkten geschickt, obwohl die Frau niemals dort erscheinen würde.

Jeder Mann, der von einer gelangweilten Frau am Telefon begrüßt wird, sie wegdrückt und dann noch fünf oder zehn ähnliche Begrüßungen anhören muss, geht aus der Leitung und kommt so schnell nicht wieder. Immer mehr Kunden wurden unzufrieden und beschwerten sich. Datinglines und Flirtlines begannen daraufhin, jede Telefonistin zu schulen. Ziel war es, die Haltezeit bei aktiven Telefonaten deutlich zu verbessern und so die Männer möglichst lange in der Leitung zu halten.

Wie hält man Männer länger an der Strippe?

„Callerinnen werden zu Profis ausgebildet!“

Die Plattformen schulten bald die Callerinnen in Gruppengesprächen. Etwa 20 bis 30 Frauen wurden in einen Gruppenchat gestellt und bekamen dort diverse thematische Schulungen wie z. B.

  • Erfolgreich flirten
  • SM-Gespräche (Basiswissen, Fortgeschrittene)
  • Rollenspiele
  • Stimme verstellen (eine Frau kann zwei Rollen gleichzeitig spielen)
  • Fetisch-Gespräche
  • Stammkundenbildung

Im Prinzip sind solche Schulungen sinnvoll. Allerdings nur dann, wenn die Schulungen individuell erfolgen und jede Telefonistin im Anschluss ihr eigenes Ding draus macht. Die Frau, die das Telefonieren als Dienstleistung und als Job versteht, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten will, kann jede Form von Telefonat führen. Selbst das Mauerblümchen, dass nur auf Sex mit Licht aus und Bettdecke drüber mag, kann im Kundengespräch eine knallharte, gestrenge Herrin mimen und dem Kunden nahezu jede gewünschte Illusion aufbauen.

Ein theoretisches Fachwissen ist immer hilfreich, wenn man den Job ernsthaft als Dienstleistung versteht. Geht man im Gespräch zusammen mit dem Kunden in seine Illusion, baut einen passenden Rahmen und eine entsprechend den Kundenwünschen passende Phantasiewelt auf, dann stimmen die Haltezeiten und der Kunde ist zufrieden. Ihm sind die Kosten für das Telefongespräch auch egal, weil er letztlich seine geheimsten Phantasien und Wünsche in einem gewissen Rahmen ausleben kann. Solche Kunden rufen dann gerne auch ein- und dieselbe Dame mehrfach an, weil die Männer wissen, dass sie von dieser Frau ihre Sehnsüchte erfüllt bekommen.

Wie Kunden gemolken werden in Teil 3

Soweit der 2. Teil des Interviews, das auch im nächsten Teil nochmals tiefer in die Materie geht und deutlich machen wird, wie Männer beim Telefonsex abgezockt werden. Als Telefonsexerin und Schulungsleiterin verfügt meine Informantin über hinreichendes Insiderwissen aus der Datingline und Telefonsex Branche, die intern sogar von „Kunden melken“ spricht, wenn es darum geht, Männer möglichst lange in der Leitung zu halten und zum Stammkunden zu erziehen.

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